Editorial / Logbuch 31.08.2025 

Der Sommer beginnt sich leise zurückzuziehen. Er verabschiedet sich nicht mit einem Paukenschlag, sondern nonchalant, fast unscheinbar. Schon Anfang August lassen die Eichen erste Blätter fallen, nicht aus Courtoisie an den Herbst, sondern aus Erschöpfung am Hitzestress. Während Kinder im Freibad noch mit Stileis und Chlorwasser im Haar den Sommer für ewig halten, hat die Natur längst mit ihrer nächsten Szene begonnen.

Der Spätsommer kündigt sich in Zwischentönen an: Die Farben matter, ein Anflug von Sepia über Gärten, Wiesen und Feldern. Dazu stimmen die Grillen ihr Abendzirpen an, ein zurückhaltendes Orchester, das die rosétrunkenen Nächte begleitet, als gäben sie das unterschwellige Signal: Es wird Zeit, Abschied zu nehmen. Auf den Tellern dagegen herrscht noch ein heiterer Trotz – Ratatouille, Lamm, gegrillter Fisch, um die Aromen der Sommerküche noch ein wenig länger festzuhalten. Zugleich drängen aus dem Wald Pfifferlinge und Steinpilze ins Licht, manche Gemüsehändler drapieren sie bereits im rituellen Arrangement mit Tannenzweigen.

Der Jahreskalender auf den Wochenmärkten ist noch deutlicher: Zu den dunkelroten Tomaten, jetzt in ihrer vollkommenen Reife, gesellen sich erste Äpfel und Birnen. Aprikosen, Pfirsiche, Pflaumen – ihnen bleiben nur noch wenige Wochen, ehe Kastanien, Nüsse und Kürbisse das finale Kapitel des Jahres ankündigen. Die Natur kennt Übergänge, sie macht den Wandel sichtbar, Schritt für Schritt.

In der Stadt hingegen liegt über allem ein anderer Takt: Kaum ist man aus den Ferien zurück, stehen in den Supermärkten die ersten Lebkuchen und Zimtsterne bereit. Ende August! Während draußen noch das Zirpen der Grillen die Abende trägt, zwingt der Handel dem Jahreslauf eine ungeduldige Beschleunigung auf. Ein stiller Schrei inmitten der Aktionsregale. Die Natur hält noch den Spätsommer bereit, aber die Industrie kennt kein Zögern, kein Taktgefühl – nur die schnelle Abfolge von Verkaufsargumenten, unerbittlich.

Das eigentliche Geschenk des Spätsommers liegt jedoch gerade in seiner Langsamkeit und Opulenz. Er erinnert uns daran, dass Zeit sich nicht verordnen lässt. Die Natur inszeniert den Übergang wie eine Partitur in Moll – wir aber antworten mit Spekulatius – ein grotesker Chor aus Zucker und Zimt gegen das stille Flüstern der Jahreszeit.